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Champions League: Der Mythos bröckelt


KOMMENTAR


Das Fußballgeschäft verändert sich. Wir leben in Zeiten, in denen die wahrscheinlich schönste Nebensache der Welt sukzessive zum kalkulierten Geschäft, zur aufgeblähten Show verkommt. Die Verbände scheinen sich dabei zunehmend am US-Sport und dem damit verbundenen Spektakel zu orientieren - ohne Rücksicht auf die Interessen und Wünsche vieler Fans. Helene Fischer kann seit dem Pfeifkonzert während des DFB-Pokalfinals ein Lied davon singen.

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Es sind Zeiten, in denen Eckbälle von Unternehmen präsentiert werden, Stadien, ja sogar einzelne Tribünen, kommerzielle Namen tragen, Vereine zigköpfige Social-Media-Teams beschäftigen, eigene Fernsehsender betreiben und Interviews nach Belieben verändern. In denen sie selbst Staaten bereisen, in denen Menschenrechte mit Füßen getreten werden.

Verantwortliche sprechen in solchen Fällen gerne von optimalen Trainingsbedingungen. Dass es tatsächlich viel mehr darum geht, die vielzitierten neuen Märkte zu erschließen, verheimlichen sie inzwischen immerhin nicht mehr. Es sind Zeiten, in denen die Schere zwischen den Top-Klubs und dem Rest immer weiter auseinanderdriftet. In denen jeder ein Global Player sein will, Geld längst die übergeordnete Rolle spielt und außer bei 1860 München und dem HSV auch direkt mit sportlichem Erfolg verknüpft ist.

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In der Premier League gibt es für zehn Spiele bereits bis zu sieben verschiedene Anstoßzeiten, in LaLiga sind es mitunter sogar zehn. Dass es berufstätigen Fans kaum mehr möglich ist, die Freitags- oder Montagsspiele im Stadion zu sehen, interessiert die Verbände schon lange nicht mehr. Es finden sich ja doch genügend Schaulustige. Und außerdem ist es ohnehin viel wichtiger, dass bei den Fernsehanstalten, die schwindelerregende Summen in den Fußball pumpen, die Zahlen stimmen.

Auch in der Bundesliga wird es deshalb ab kommender Saison Montagsspiele geben, fünf werden es 2017/18 sein. Christian Seifert sagt zwar, es sei "nicht geplant, künftig noch mehr Montagsspiele durchzuführen", und doch ist es der nächste Schritt einer fortschreitenden Entwicklung, die sich auch in Deutschland immer weiter von der Basis entfernt: den Fans.

Besonderer Flair dank wechselnder Titelträger

Da ist es doch eigentlich selbstverständlich, dass der prestigeträchtigste Wettbewerb des Weltfußballs ebenfalls korrumpiert wird. Natürlich stehen auch oder gerade hinter der Champions League die finanziellen Interessen von Verbänden und Vereinen. Und trotzdem ist es wieder und wieder ein traumhaftes Gefühl, die schwungvolle Hymne zu hören, während das einfache, schlichte, aber irgendwie auch prunkvoll anmutende Logo auf den Ärmeln der Trikots durch den Wind weht.

Die Königsklasse steht - zumindest ab der K.o.-Phase - für Fußball auf höchstem Niveau, für Spannung, Drama, Leidenschaft. Die Champions League hat etwas Mystisches - das liegt an dem besonderen Flair, den dieser Wettbewerb ausstrahlt, noch viel mehr aber an der Tatsache, dass der sagenumwobene Henkelpott noch nie verteidigt wurde.

Zur Saison 1992/93 ging die Geschichte des Europapokals der Landesmeister zu Ende. Es war zugleich die Geburtsstunde der Champions League. 24 Titel wurden bislang vergeben, 13 Vereine haben ihn gewonnen, nie aber derselbe wie im Vorjahr. Einzig Ajax Amsterdam (1996) und Manchester United (2009) hatten überhaupt die Chance, den Titel zu verteidigen, vergaben sie in den Endspielen aber jeweils. Nun will Real Madrid sein Glück am Samstag im Endspiel gegen Juventus Turin (20.45 Uhr im LIVETICKER) versuchen. Die Königlichen hatten Stadtrivale Atletico im vergangenen Jahr im Elfmeterschießen bezwungen. 

Unabhängig davon wird die Champions League bald reformiert. Champions League, das hieß auch immer Dienstag- oder Mittwochabend, 20.45 Uhr. Ab 2018 jedoch werden zwei Spiele schon um 19 Uhr angepfiffen, die übrigen sechs um 21 Uhr. Offiziell natürlich, "um den Fans die Möglichkeit  zu geben, noch mehr Spiele zu sehen", nicht um noch mehr Geld zu verdienen. So oder so: Ein kleiner Teil des besonderen Flairs wird damit verfliegen.

Die Kommerzialisierung ist unaufhaltsam, leider. Umso mehr bleibt deshalb zu hoffen, dass Real Madrid nicht schon in diesem Sommer von sportlicher Seite am Mythos sägt. Denn gerade die stetig wechselnden Titelträger machen doch einen großen Teil des Reizes dieses Wettbewerbs aus.

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