Thilo Kehrer PSGPSG

PSG-Verteidiger Thilo Kehrer im Interview: "Neymar ist privat ganz anders"


EXKLUSIV
Thilo Kehrer gehört in der deutschen Nationalmannschaft zu den wenigen neuen Gesichtern. Denn der große Umbruch blieb trotz des WM-Debakels aus.

Erlebe Europas Top-Ligen live und auf Abruf auf DAZN. Jetzt Gratismonat sichern!

Umso mehr sind die Blicke auf den 22-Jährigen gerichtet, zumal er durch seinen Wechsel im August zu Paris Saint-Germain zum zweitteuersten deutschen Verteidiger aller Zeiten wurde.

Im exklusiven Interview mit Goal und SPOX in Berlin macht der Verteidiger, der im September beim 2:1 gegen Peru sein Debüt im DFB-Team gab, einen sympathischen, aber auch sehr professionellen Eindruck. Über seinen Abschied nach sechs Jahren auf Schalke möchte er dabei öffentlich nicht mehr sprechen, dafür aber umso mehr über sein soziales Engagement in der Heimat seiner Mutter.

Artikel wird unten fortgesetzt

Wo haben Sie das deutsche WM-Aus gegen Südkorea verfolgt?

Kehrer: Da war ich im Urlaub. Als Zuschauer und Fan waren wir alle natürlich enttäuscht und hätten uns mehr erhofft. So ging es ja jedem in der Mannschaft, denn wir hatten größere Ziele.

Ist das historisch frühe K.o. noch ein Thema in der Mannschaft?

Kehrer: Nein. Die Konzentration liegt voll auf den Aufgaben, die vor uns liegen. Wir sprechen darüber, wie wir uns präsentieren und für welchen Fußball wir stehen wollen. Negative Gedanken, was wäre wenn, bringen nichts.

Sie gelten als ein Gesicht des Neuanfangs. Spüren Sie da eine besondere Erwartungshaltung?

Kehrer: Ich spüre nicht, dass groß der Fokus auf mich gerichtet ist oder dass die Erwartung an die neuen Spieler höher wäre. Hier herrscht einfach eine gute Atmosphäre, deshalb empfinde ich keinen Druck.

Thilo Kehrer Martin VolkmarGoal

In der Nations League ist direkt Wiedergutmachung möglich, allerdings warten mit den Niederlanden und Frankreich schwere Gegner. Wie gehen Sie die beiden Prestigeduelle an?

Kehrer: Dass man vielleicht nicht erfolgreich sein könnte, ist bei uns kein Thema. Wir sind nicht von Angst oder Druck geleitet, sondern gehen positiv ran. Wir wissen, dass es große Gegner sind. Aber wir freuen uns alle darauf, weil wir zeigen können, was wir gegen solche Teams drauf haben.

Ist die Partie in ihrer neuen Heimat Paris gegen Frankreich schon ein besonderes Spiel für Sie?

Kehrer: Ja, auch wenn ich noch neu in der Stadt bin. Frankreich ist der amtierende Weltmeister und hat unglaubliche Qualität, das ist vor allem auswärts eine große Aufgabe für uns. Mit den französischen Kollegen gab es in der Kabine bei PSG schon ein paar Sprüche. Beide Seiten haben Respekt voreinander.

Thilo Kehrer über die PSG-Stars Kylian Mbappe und Neymar

Der größte Star bei Frankreich ist Ihr Mitspieler Kylian Mbappe, der am Wochenende mit vier Treffern geglänzt hat. Wie erleben Sie ihn als Spieler und als Typ?

Kehrer: Ich lerne ihn natürlich als Mannschaftskamerad ganz anders kennen. Als Spieler hat er überragende Fähigkeiten, aber er ist gleichzeitig im direkten Umgang ein sehr bodenständiger, witziger Typ.

Und Neymar?

Kehrer: Er ist ein umgänglicher und netter Mensch. So wie er sich privat gibt, ist das schon ganz anders, als er vielleicht medial rüberkommen mag. In der Kabine herrscht bei uns eine sehr gute Stimmung, das hat es mir bisher echt leicht gemacht.

Angesichts der ganzen Weltklassespieler im Team: Wie groß war der Schritt für Sie?

Kehrer: Vom Spielverständnis und von der Klasse her ist das nochmal ein höheres Niveau als bei Schalke und fordert einen sehr starken Lernprozess von mir. Ich merke das jeden Tag im Training, und das tut mir sehr gut, denn ich kann mich dadurch unglaublich weiterentwickeln.

Wie haben Sie sich eingelebt in den ersten Wochen?

Kehrer: Ich bin dank meiner Familie französischsprachig aufgewachsen, deshalb hatte ich keine Anpassungsprobleme. Ich konnte mich sehr gut einfügen in die Mannschaft, die Leute und die Stadt kennenlernen. Das hat sehr gut geklappt, ich fühle mich wohl in Paris.

Hat Sie der Schritt weg aus Deutschland dennoch Überwindung gekostet?

Kehrer: Ich fühle mich nicht wirklich weit weg. Paris ist sowohl von meinem Heimatort Tübingen als auch von Gelsenkirchen nicht weit weg. Von daher fällt es mir nicht schwer, den Kontakt zu halten. Zumal meine Familie mich regelmäßig besuchen kommt.

Thilo Kehrer lobt PSG-Trainer Thomas Tuchel

Die Öffentlichkeit rechnete im August eigentlich mit Ihrer Vertragsverlängerung bei Schalke, dann ging es ganz schnell. Waren Sie darüber selber überrascht?

Kehrer: Thomas Tuchel und ich waren in Verbindung, bevor das Ganze in der Öffentlichkeit ein Thema wurde. Überrascht war ich von der ersten Kontaktaufnahme durch den Trainer, damit hatte ich nicht gerechnet. Die Gespräche danach waren durchweg positiv. Deshalb hat es mich sehr gefreut, dass es geklappt hat – auch wenn es ein sehr, sehr großer Schritt für mich war.

War Thomas Tuchel also der entscheidende Grund für Ihren Wechsel?

Kehrer: Thomas Tuchel hat mich überzeugt und mir gezeigt, dass er sehr interessiert ist, mit mir zu arbeiten und mich weiterzuentwickeln. Das war das wichtigste für mich, daher wollte ich diese Chance nutzen.

Thilo Kehrer PSGPSG

Sie sind mit 37 Millionen Euro Ablöse nach Shkodran Mustafi der zweitteuerste deutsche Verteidiger aller Zeiten. Belastet Sie diese Summe?

Kehrer: Das ist für mich kein Thema. Das ist der Fußballmarkt, wie er sich entwickelt hat. Ich bewerte das nicht über. Diese Summe ist für mich eine Zahl, die eine gewisse Wertschätzung für meine Leistung zeigt. Das ist besser als andersrum.

Wie sind Sie sportlich bisher zufrieden?

Kehrer: Es wird immer besser. Ich habe natürlich ein bisschen gebraucht, um mich an die Veränderungen im Training und das ganze Drumherum zu gewöhnen. Aber ich merke, dass ich in jedem Training dazulerne und mich sehr schnell weiterentwickle. Ich habe zuletzt auch meine Spielanteile bekommen, so kann es weitergehen.

Thilo Kehrer: „PSG kann die Champions League gewinnen“

PSG hat einen starken Saisonstart hingelegt. Ist dieses Jahr der ersehnte Triumph in der Champions League möglich?

Kehrer: Die Möglichkeit dazu haben wir auf jeden Fall. Sicher ist aber auch, dass es sehr, sehr schwierig wird. Es sind einfach unglaublich viele, richtig starke Mannschaften dabei. Ab der K.o.-Phase entscheiden dann wirklich viele Details, um den Titel zu gewinnen.

Ihre Mutter stammt aus Burundi, einem der ärmsten Länder der Welt. Setzen Sie sich aus diesem Grund als Schirmherr für die dort tätige Hilfsaktion "Anstoß zur Hoffnung" ein?

Kehrer: Ich bin bis zum fünften Lebensjahr in Burundi und Ruanda aufgewachsen und war danach mehrfach in dem Land. Deshalb war es mir immer wichtig, dass ich mich an Hilfsprojekten beteilige, wenn ich mal die Möglichkeit dazu habe. Ich möchte versuchen, etwas zurückzugeben und den Menschen zu helfen, denen es nicht so gut geht wie mir.
Werbung