EXKLUSIV-INTERVIEW
Dass beim Hamburger SV immer etwas los ist, musste in den vergangenen Wochen auch Adrian Fein feststellen. Obwohl die Hamburger an der Tabellenspitze der 2. Bundesliga stehen, sorgte die Debatte um Bakery Jatta zuletzt für mächtig Unruhe in der Hansestadt.
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Im Interview mit Goal und SPOX erzählt der 20-Jährige, was die Diskussionen um Jattas Identität mit der Mannschaft gemacht haben und erklärt, warum er sich freuen würde, wenn der HSV-Offensivmann künftig für Deutschland auflaufen würde.
Vor dem EM-Qualifikationsspiel der deutschen U21 in Wales am Dienstag (20.00 Uhr live bei ProSieben Maxx und im LIVE-TICKER bei Goal) spricht Fein zudem über seine Jugendzeit beim FC Bayern, Erfahrungen bei den FCB-Profis und seine Zukunftspläne.
Adrian, am 13. November 2016 liefen Sie mit der U18 zum ersten Mal überhaupt für Deutschland auf. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Tag?
Nächstes Spiel
Fein: Es war ein ziemlich schlechtes Debüt. (lacht) Wir haben gegen Irland gespielt und ich wurde bei 0:1-Rückstand zur Pause eingewechselt. Der Trainer wollte, dass ich das Spiel an mich reiße, aber mein erster Ball war ein katastrophaler Fehlpass, der direkt zum 0:2 geführt hat. Ich habe im Vorfeld des Spiels viel nachgedacht und mir mein erstes Spiel für Deutschland komplett anders vorgestellt. Zum Glück haben wir noch mit 3:2 gewonnen.
Drei Jahre später sind Sie jetzt erstmals für die U21-Nationalmannschaft nominiert und feierten Ihr Debüt beim 2:0-Sieg gegen Griechenland. Verspüren Sie Druck, in den ersten Spielen liefern zu müssen?
Fein: Ich will natürlich überzeugen und auf mich aufmerksam machen, aber der Trainer hat uns den Druck schon in den ersten Sitzungen genommen. Er hat gesagt, dass wir mutig spielen und keine Angst vor Fehlern haben sollen. Obwohl es mein erstes Spiel für die U21 war, habe ich keinen Druck verspürt.
Die U21 steckt nach der EM im Umbruch. Kannten Sie im Vorfeld jeden Spieler des komplett neuen Kaders?
Fein: Ich muss zugeben, dass ich Felix Agu bis vor kurzem noch nicht kannte. Er ist mir erst vor einigen Wochen aufgefallen, als ich mir den VfL Osnabrück angeschaut habe. Er war zuvor nie für U-Nationalmannschaften nominiert, aber macht es hier richtig gut.
Trainer Stefan Kuntz hat die Erwartungen an die neu formierte U21 gedämpft und von schwächeren Jahrgängen gesprochen, die jetzt folgen. Wie sehen Sie das?
Fein: Ich glaube, der Trainer wollte uns mit dieser Aussage kitzeln. Im Jahrgang 99 haben wir mit Kai Havertz einen Spieler, der zu den größten Talenten des Weltfußballs gehört. Auch Arne Maier ist schon jetzt ein gestandener Bundesligaprofi, der bei Hertha BSC eine wichtige Rolle spielt. Und auch in der 2. Bundesliga gibt es immer mehr Spieler der Jahrgänge 98 und 99. Wir müssen uns noch entwickeln, aber ich bin optimistisch, dass wir als U21 an die Erfolge der vorangegangenen Jahrgänge anknüpfen können.
Sie haben in der U19-Nationalelf zusammen mit Havertz gespielt. Hat man schon damals gesehen, dass er weiter ist als Sie und Ihre Teamkollegen?
Fein: Kai war zu diesem Zeitpunkt schon Profi und hat mit Bayer Leverkusen in der Champions League gespielt. Es war offensichtlich, dass er uns allen einen Schritt voraus ist. Er hat Herrenfußball gespielt, sich cleverer bewegt und die Dinge ganz anders antizipiert. Kai ist für uns alle ein Vorbild und schon mit 20 Führungsspieler bei einem Champions-League-Klub – das ist alles andere als selbstverständlich. Da wollen wir alle mal hin.
Obwohl die U21 aus Talenten besteht, die in ihren Vereinen gefeiert werden, ist der Zuspruch der Zuschauer ziemlich gering. Beim Testspiel gegen Griechenland in Zwickau waren nur 4.512 Fans im Stadion. Verdient die U21 mehr Aufmerksamkeit?
Fein: In Hamburg habe ich in den vergangenen Wochen vor 40.000 bis 50.000 Zuschauern gespielt – für mich ist es also eine Umstellung. Trotzdem muss man auch berücksichtigen, dass das Spiel an einem Donnerstag um 18.30 Uhr angepfiffen wurde und viele Berufstätige zu dieser Zeit gerade erst von der Arbeit kommen. Knapp 5.000 Zuschauer sind deshalb eine ganz gute Zahl.
Kuntz deutete zuletzt an, dass er Ihren HSV-Teamkollegen Bakery Jatta gern in der deutschen U21-Nationalmannschaft sehen würde. Was halten Sie davon?
Fein: Ich kann über Baka nur Positives sagen. Er ist ein super Typ, hat eine gute Seele und kommt mit jedem aus der Mannschaft gut klar. Auf dem Platz ist er sehr fleißig, arbeitet offensiv und defensiv viel und ist dabei extrem schnell. Ein Spieler wie Baka tut jedem Team gut und ich würde mich freuen, wenn er bald auch bei der U21 dabei wäre.
In den vergangenen Wochen war Jatta Dauerthema in den Medien. Wie ist er damit umgegangen?
Fein: Es hat ihn getroffen, wie in der Öffentlichkeit mit ihm umgegangen wurde. Er wurde einer Straftat beschuldigt, obwohl es keine Beweise gab. Das ist für niemanden einfach. Von außen hat ein riesiger Druck auf ihn eingewirkt, doch er hat ihn gut weggesteckt. Mit seinem Tor gegen Hannover hat er die perfekte Antwort gegeben.
Was hat diese Debatte mit der Mannschaft gemacht?
Fein: Trainer Dieter Hecking, aber auch wir als Mannschaft und der komplette Betreuerstab standen in jeder Minute hinter ihm. Jetzt ist zum Glück alles geklärt, aber ich glaube, die Debatte um Bakery hat den Verein zusammengeschweißt. Der Zusammenhalt in der Gruppe wurde gestärkt und wir wissen, dass wir uns auch in schwierigen Phasen aufeinander verlassen können. Trotzdem hätten wir gerne auf dieses Theater verzichtet.
getty ImagesNach seinem Tor zum 3:0 gegen Hannover ist der Volkspark nahezu explodiert. Wie haben Sie diesen Moment erlebt?
Fein: Ich war in meinem Leben schon häufig im Stadion, aber ich kann mich an kein Spiel erinnern, bei dem es so laut war wie in diesem Moment. Ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper und habe mich unglaublich für ihn gefreut. Wir haben als komplettes Team mit ihm gefeiert – ein richtig geiler Moment.
In den vergangenen Jahren ging es beim HSV sehr turbulent zu. Warum haben Sie sich trotzdem für einen Wechsel nach Hamburg entschieden?
Fein: In meinem Umfeld haben mich einige vor dem HSV gewarnt, aber für mich war der Wechsel kein Risiko, sondern eine große Chance, den nächsten Schritt in meiner Entwicklung zu machen. Ich hatte gute Gespräche mit den Verantwortlichen und deshalb keine Angst, zu scheitern. Bis jetzt hat sich der Wechsel voll ausgezahlt.
Sie spielen eine starke Saison und es hagelt aktuell Lob von allen Seiten. Zuletzt nannte Sie die Hamburger Morgenpost schon das "Herzstück des HSV".
Fein: (lacht) Ich versuche auszublenden, was in den Medien geschrieben wird, aber bekomme natürlich trotzdem einiges mit, weil ich immer wieder darauf angesprochen werde. Man sollte nicht zu hoch hängen, was geschrieben wird. Für mich zählt nur, mich weiterzuentwickeln, gut zu trainieren und in den Spielen meine Leistung zu bringen. Nun muss ich beweisen, dass ich mein Niveau auch über eine komplette Saison halten kann.
Was machen Sie, um nicht abzuheben?
Fein: Ich nehme mich selbst nicht zu ernst. Ich bin nur ein normaler 20-Jähriger, der gut Fußball spielen kann. Bis heute habe ich noch viele Freunde aus Kindertagen, Jungs mit denen ich schon als Sechsjähriger im Verein gespielt habe. Wenn ich jetzt anfangen würde, abzuheben, würde ich von ihnen eine ordentliche Ansage bekommen - gleiches gilt für meine Familie.
Ihr Spiel zeichnet sich durch Ruhe und Handlungsschnelligkeit aus. Gibt es Spieler, an denen Sie sich orientieren?
Fein: Paul Pogba ist ein Vorbild von mir. Ich finde seine Spielweise beeindruckend. Doch auch Spieler wie Yaya Toure oder Bastian Schweinsteiger haben mich immer begeistert. Es sind Spielertypen, von denen ich mir einiges abschauen möchte.
Sie sind gebürtiger Münchner, haben das Stadtwappen tätowiert und sind schon mit sieben Jahren zum FC Bayern gewechselt. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihr erstes Training mit den Profis des Rekordmeisters?
Fein: Ich war noch U19-Spieler und während einer Länderspielpause hat Carlo Ancelotti mich und einige Teamkollegen hochgezogen. Plötzlich Zweikämpfe gegen einen Weltmeister wie Philipp Lahm zu führen war aufregend, ich war tierisch aufgeregt. Das hat sich mit zunehmenden Einheiten zum Glück etwas gelegt.
getty ImagesVon welchem Erlebnis aus den Profi-Einheiten der Bayern erzählen Sie bis heute besonders gern?
Fein: Im Januar 2017 durfte ich mit den Profis ins Trainingslager nach Doha. Die komplette Reise war unglaublich. Ich habe Eindrücke gesammelt, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde. Die Trainingsbedingungen, das Hotel, das Essen, der Service – einfach alles war perfekt. Nachdem ich diese Erfahrung machen durfte, wäre ich am liebsten direkt für immer bei den Profis geblieben. Doch mit 18 Jahren ist das beim FC Bayern nicht so einfach.
Welcher Spieler hat Sie im Training damals am meisten beeindruckt?
Fein: Um beim FC Bayern zu spielen, muss man mit dem kompletten Herzen dabei sein und alles andere unterordnen. Macht man das nicht, hat man auf Top-Niveau keine Chance. Arjen Robben hat die Bereitschaft, sich aufzuopfern, immer perfekt vorgelebt. Er achtet sehr auf seine Ernährung, nimmt jedes Training ernst und macht auch nebenbei viel für seinen Körper. Spieler wie Robben zeigen einem, wie es im Profigeschäft laufen muss. Er ist ein absolutes Vorbild für jeden jungen Fußballer.
In München stehen Sie noch bis 2021 unter Vertrag und sind aktuell die zweite Saison in Serie in die 2. Liga ausgeliehen. Wie plant der Klub mit Ihnen?
Fein: Fußball ist nicht planbar. In der vergangenen Saison war ich bei Jahn Regensburg auf einem guten Weg, mich in der 2. Bundesliga zu etablieren, doch habe mich in der Wintervorbereitung verletzt und fast die komplette Rückrunde verpasst. Ich schaue nur von Woche zu Woche, konzentriere mich auf meine Leistungen und versuche, verletzungsfrei zu bleiben.
Stehen Sie als Leihspieler in regelmäßigem Kontakt mit den Verantwortlichen des FC Bayern?
Fein: Der Kontakt mit dem FC Bayern läuft aktuell nur über meine Berater. Sie tauschen sich regelmäßig mit den Verantwortlichen aus, während ich mich voll auf den HSV konzentriere.
Was hat man Ihnen in München vor der Leihe mit auf den Weg gegeben?
Fein: Neben dem HSV gab es noch andere Interessenten, aber ich habe den Verantwortlichen des FC Bayern gesagt, dass ich diesen Schritt unbedingt gehen will. Da ich mir sicher war, waren auch sie überzeugt, dass ich mich in Hamburg durchsetzen werde. Rückblickend bin ich sehr froh, mich so entschieden zu haben.
In den vergangenen Jahren gelang es beim FC Bayern kaum einem Jugendspieler, sich bei den Profis zu etablieren. Was stimmt Sie positiv, es trotzdem schaffen zu können?
Fein: In den ersten Wochen beim HSV habe ich enorm viel gelernt, sowohl sportlich als auch menschlich. Gerade in meinen ersten Einheiten mit den Bayern-Profis war ich noch sehr zurückhaltend und glaube, dass ich diese Zurückhaltung inzwischen abgelegt habe. Trotzdem bin ich Realist und weiß, dass ich nächsten Sommer nicht zurück zum FC Bayern gehe und sofort Stammspieler bin – das kann ich mir gleich aus dem Kopf schlagen. Aktuell zählt nur, Leistung für den HSV zu bringen. Mal schauen, wo ich dann im nächsten Jahr lande.
Trotzdem ist es Ihr Traum, sich irgendwann beim Rekordmeister durchzusetzen.
Fein: Natürlich träume ich davon, eines Tages in der Bundesliga für den FC Bayern zu spielen. Ich bin Münchner und schon seit Kindertagen großer Fan des Klubs. Trotzdem habe ich keinen Karriereplan, der vorsieht, dass ich in zwei oder drei Jahren bei Bayern spielen muss. Selbst wenn ich es erst in neun Jahren zum FCB schaffen würde, würde ich sagen, dass ich eine erfolgreiche Karriere gehabt habe.
Viele HSV-Fans hoffen schon jetzt, dass Sie über den Sommer hinaus ein Hamburger bleiben. Wie stehen die Chancen?
Fein: Ich habe nie gesagt, dass ich den HSV im Sommer wieder verlassen möchte. In vorangegangenen Interviews habe ich nur gesagt, dass ich irgendwann mal für den FC Bayern spielen will. Da wurden mir die Worte ein bisschen im Mund verdreht. Wenn es weiter so gut läuft wie aktuell, spricht nichts dagegen, zu bleiben. Hamburg ist eine tolle Stadt, der HSV ein super Verein mit unglaublichen Fans – da stimmt alles. Aber die Entscheidung liegt nicht allein bei mir. Auch die Vereine müssten sich einigen.