EXKLUSIV
Vor der Bundesliga-Begegnung zwischen Borussia Mönchengladbach und dem SC Freiburg (20.30 Uhr LIVE auf DAZN und im LIVETICKER ) spricht Christoph Kramer im Interview mit Goal und SPOX über seine Trikotsammlung, seinen härtesten Gegenspieler und die Solidaritätsbekundungen von Bundesligastars mit den Protesten gegen Rassismus in den USA.
Außerdem erklärt der 29-jährige Weltmeister von 2014, wieso sich die Gladbacher Profis nicht ihres Gehaltsverzichts rühmen müssten.
Herr Kramer, Sie gelten als Sympathisant von Union Berlin und haben ein Trikot von Klub-Legende Torsten Mattuschka bei sich zu Hause hängen: Wie kam es dazu?
Christoph Kramer: Das war zu meiner Zeit beim VfL Bochum. Nach dem Spiel gegen Union saß ich zusammen mit Torsten Mattuschka bei der Doping-Kontrolle. Ich hielt ihn schon damals für einen klasse Spieler. Sein Trikot war dann auch eines der ersten in meiner Sammlung. Mittlerweile sind es über 200.
Was sind generell die Lieblingstrikots aus Ihrer Sammlung und welche Geschichten verbinden Sie damit?
Nächstes Spiel
Kramer: Die Lieblingstrikots sind die aus den großen Spielen, wie aus der Champions League. Generell verbinde ich mit jedem Trikot eine Geschichte zu den einzelnen Partien. Wenn man gegen Klubs wie den FC Barcelona spielt, ist das einfach etwas ganz Besonderes. Als ich das Trikot von Lionel Messi bekommen konnte, habe ich mich natürlich gefreut. Das Teil hängt bei mir zu Hause eingerahmt an der Wand.
Wie ist es zum Tausch mit Messi gekommen?
Kramer: Lionel Messi habe ich ebenfalls bei einer Dopingkontrolle nach seinem Trikot gefragt, das war nach einem Champions-League-Spiel mit Leverkusen gegen Barcelona. Ich saß neben ihm und musste mich schon ein bisschen überwinden, ihn in dem Moment um sein Trikot zu bitten. Er hat dann aber einfach nur genickt und es ausgezogen. Ich habe "Danke" gesagt, er "Bitte" - das war der Trikottausch mit Messi.
Getty ImagesGladbach - Kramer: "Wenn Thuram ein Zeichen setzt, ist das authentisch"
Wie bewerten Sie die Reaktion Ihres Teamkollegen Marcus Thuram nach seinem Tor bei Union Berlin, als er sich auf den Boden gekniet und somit des gewalttätigen Todes des Afroamerikaners George Floyd gedacht sowie gegen Polizeigewalt und Rassismus protestiert hat?
Kramer: Im Spiel habe ich das gar nicht mitbekommen. Erst danach, als in den Medien ausführlich darüber berichtet wurde und es hohe Wellen geschlagen hat. Aber ich finde, dass bei solch wichtigen Themen die Popularität eines einzelnen Spielers - aber auch des Fußballs - sinnvoll genutzt ist.
Es gibt diverse Antirassismus-Kampagnen, die öffentlichkeitswirksam vom Verband und der Liga ausgespielt werden. Gleichzeitig wird bei politischen Äußerungen vom DFB ermittelt. Wie passt das für Sie zusammen?
Kramer: Wenn gegen Statuten und Regeln verstoßen wurde, könnte ich das verstehen. Aber die Aktion von Marcus und auch die Message auf dem Shirt von Jadon Sancho sind keine politisch fragwürdigen Statements, sondern stehen außer Frage und betreffen aktuell die gesamte Welt. Bei uns im Borussia-Park zeigen wir auch mit einem großen Banner unter dem Stadiondach unsere Haltung gegen Rassismus. Aber der Kontrollausschuss des DFB hat ja nun auch erklärt, dass es keine Verfahren wegen der Solidaritäts- und Anti-Rassismus-Bekundungen geben wird.
Sind solche Ereignisse wie in den USA und die Folgen oft Thema in der Kabine?
Kramer: Ja, denn es ist schrecklich, was dort gerade passiert. Egal ob in der Kabine oder in einem Büro, überall auf der Welt wird darüber geredet. Bei uns ist das nicht anders.
Können und müssen Fußball-Profis sich noch klarer zu gesellschaftspolitischen Themen äußern?
Kramer: Wichtig ist, dass man nicht auf jeden Zug aufspringt, sondern voll hinter einer Sache steht. Wenn ein Marcus Thuram nach seinem Tor auf die Knie geht und ein Zeichen setzt, dann ist das authentisch. Es wirkt bei einigen aber manchmal ein bisschen so, dass sie nur einem Trend folgen. Dabei gibt es auf der Welt so viel Leid und Ungerechtigkeit, für das es sich lohnt, sich 365 Tage und immer zu engagieren. Und das nicht nur während der Corona-Pandemie. Da würde ich mir mehr Solidarität wünschen.
Getty ImagesEs gab viele Stimmen zum Thema "soziale Gerechtigkeit" und "Gehaltsverzicht". Die Borussia ist mit positivem Beispiel vorangegangen, der Mannschaftsrat wurde früh aktiv (die Mannschaft verzichtet monatlich auf rund 1 Million Euro, d. Red.): Sind Sie sich im Team schnell einig geworden?
Kramer: Ich finde nicht, dass wir uns damit rühmen müssten. Es gibt so viele Menschen, die uns jeden Tag den Rücken freihalten und für uns arbeiten, damit wir unseren Job bestmöglich ausfüllen können. Wenn diese Menschen dann von jetzt auf gleich in Kurzarbeit gehen müssen, schlägt sich das finanziell anders nieder als bei den Gehältern der Bundesligaprofis - und das soll überhaupt nicht arrogant klingen. Wenn wir durch einen Verzicht dazu beitragen können, dass die Mitarbeiter des Klubs trotz Corona 100 Prozent ihres Gehalts bekommen, sollte das selbstverständlich, klar und logisch sein.
Ihr Freund Max Kruse (Fenerbahce Istanbul, d. Red.) hat zuletzt die Wiederaufnahme des Spielbetriebs kritisiert, weil Fußball der Sport mit dem meisten Körperkontakt sei und das nicht mit den Maßnahmen in Deutschland zusammenpasse. Wie sehen Sie das?
Kramer: Es geht nicht um Fußball, die Bundesliga oder Tabellenplätze an sich. Es hängen so unfassbar viele Arbeitsplätze daran. In dieser Zeit versuchen alle Branchen, kreative Lösungen zu finden. Und nichts anderes hat die DFL getan. Die Taskforce hat ein Konzept ausgearbeitet, das es medizinisch vertretbar macht, dass es weitergeht. Wie komplex das ist, erlebe ich zum Beispiel jeden Tag mit den vielen Tests. Ich kann verstehen, dass vor allem Sportler anderer Sportarten vielleicht ein bisschen neidisch auf uns blicken. Aber bis wir wieder spielen konnten, war und ist ein enormer Aufwand nötig. Und ich bin auch der Meinung, dass der Fußball großen Teilen der Menschen wieder ein wenig Normalität in den Alltag zurückbringt.
Eskapaden wie das Goldsteak von Franck Ribery oder der Instagram-Protzanfall von Jadon Sancho sieht man derzeit nicht mehr auf Instagram und Co.: Findet gerade ein Umdenken bei den Profis statt?
Kramer: Instagram schafft meiner Meinung nach eine Transparenz, die für einige junge Spieler Probleme mit sich bringen kann. Aber diese Corona-Pandemie hat eine gewisse Sensibilität geschaffen, so dass viele Profis momentan vorsichtiger sind. Leider glaube ich nicht, dass es Bestand haben wird. Ich vergleiche das mit einem mehrwöchigen Urlaub, in dem man tiefgründige Bücher durchliest, was man in seinem Leben ändern möchte, und nach zwei Tagen im Büro läuft alles wie gewohnt weiter. Ich würde mir natürlich wünschen, dass dieses Umdenken langfristige Auswirkungen hätte.
GettyAnweisung des Trainers nicht gehört? Kramer: Diese Ausrede fällt durch Geisterspiele weg
Redet man auf dem Platz bei Geisterspielen ohne Zuschauer weniger, weil die Mikrofone alles auffangen?
Kramer: Nein, überhaupt nicht. Für uns Spieler hat sich auf dem Platz überhaupt nichts geändert. Nur das Adrenalin baut sich nicht schon beim Warmmachen auf, weil die Fans im Stadion fehlen. Ansonsten erkennt man auch an den Spieler- und Teamstatistiken, dass wir wie vorher Fußball spielen.
Eine Ausrede, dass man die Anweisung vom Trainer nicht gehört hat, fällt aber nun weg?
Kramer: Ja, allerdings. Das ist manchmal dann schon schade (lacht).
Welcher Ihrer Trainer hat Sie am meisten geprägt und warum?
Kramer: Das war Sascha Lewandowski, der leider nicht mehr unter uns weilt. Ein großartiger Trainer. Er hat mich nach meiner Rückkehr nach Leverkusen extrem unterstützt und gefördert. Und ich habe super viel Fußball-Wissen von ihm vermittelt bekommen.
Und wie ist das bei Mönchengladbachs Co-Trainer Rene Maric, der mit 27 Jahren der jüngste der Bundesliga ist?
Kramer: Es kommt überhaupt nicht auf das Alter an oder ob man lange als Profi gespielt hat. Entweder man versteht etwas vom Fußball oder nicht. Und wir haben schnell gemerkt, dass René weiß, wovon er spricht. Akzeptanz erarbeitet man sich mit Qualität - und er hat eine große Qualität. Deshalb hören wir ihm gern zu und lassen uns von ihm auch was sagen.