Dale Jennings ist ein Spieler, in dessen Karriere sein Scheitern beim FC Bayern München über allem steht. Seine Geschichte ist aber viel komplizierter.
2011 verpflichtete der FC Bayern den damals 18-jährigen Jennings für rund zwei Millionen Euro vom englischen Drittligisten Tranmere Rovers. Nachdem er als Jugendlicher vom FC Liverpool weggeschickt worden war, wechselte Jennings im Alter von 15 Jahren zu Tranmere und schaffte dort im September 2010 den Sprung in die erste Mannschaft.
Im Laufe der Saison 2010/11 kam er in der League One auf 29 Einsätze und erzielte dabei sechs Tore. Der schmächtige und schnelle Jennings wurde aufgrund seiner Beidfüßigkeit dabei auf beiden Flanken eingesetzt.
Jennings der nächste Joe Cole
Wie es in den englischen Medien üblich ist, wurde er schon bald mit den besten Talenten des Landes verglichen und in einem Fall sogar als "der nächste Joe Cole" bezeichnet. Nachdem er in seiner ersten Saison in der Tranmere-Mannschaft die Auszeichnung "League One Apprentice of the Year" (Lehrling des Jahres) gewonnen hatte, und auch angesichts des Interesses der Bayern, schien der Hype gerechtfertigt.
Tranmere-Trainer Les Parry sagte auf der offiziellen Website des Vereins: "Der FC Bayern hat uns ein sehr gutes Angebot für Dale gemacht und wir wollen ihm nicht den Weg verbauen, diesen unglaublichen Schritt zu machen. Wenn ein Verein von der Größe der Bayern auf dich zukommt, ist das die Chance deines Lebens."
Nächstes Spiel
Der Deal kam zustande und Jennings unterschrieb im selben Sommer wie Manuel Neuer bei den Bayern. Während die zukünftige deutsche Nummer eins in die erste Mannschaft der Münchner wechselte, wurde der junge Engländer der zweiten Mannschaft zugeteilt, um Erfahrungen zu sammeln.
CaughtOffsideDoch Jennings lebte sich in Deutschland nie richtig ein, Verletzungen und Heimweh verhinderten seine Weiterentwicklung. "Ich habe etwa sechs Monate lang versucht, die Sprache zu lernen, aber es fiel mir schwer", sagte Jennings 2018 BBC Sport. "Ich hatte das Gefühl, dass sich das auf mein Spiel auswirkte, weil ich zu sehr damit beschäftigt war, die deutsche Sprache zu lernen, anstatt meine Leistung auf dem Spielfeld zu bringen. Es wurde mir ein bisschen zu viel", so Jennings weiter.
Das Ausmaß von Jennings' Verletzungsproblemen, wie er selbst dem "Leg It" Podcast Anfang des Jahres erzählte, war selbst in der Anfangsphase seiner Karriere erschütternd groß - und zwar so groß, dass er zunächst seinen Medizincheck bei Bayern nicht bestand.
Jennings hadert mit Verletzungen
"Ich hatte einen Leistenbruch. Nachdem ich bei Bayern unterschrieben hatte, war ich drei Monate lang außer Gefecht. Danach wurde die andere Seite operiert. Dann habe ich mir die Bänder im Knöchel gerissen. Ich habe den Medizincheck nicht bestanden, Bayern wollte mich nicht verpflichten. Mein Berater hat es aber gut gemacht, er hat sie gefragt: 'Ihr habt die besten Mediziner der Welt zur Verfügung, und ihr lasst ihn wegen eines Leistenbruchs im Stich?' Sie sagten: 'Wir können uns um ihn kümmern, und das haben sie gemacht", erzählte Jennings.
Als er bei den Bayern schließlich mit Arjen Robben, Philipp Lahm und den anderen Stars zusammenspielte, musste Jennings zugeben, dass er zu diesem Zeitpunkt meinte, er hätte es geschafft.
"Ich erinnere mich daran, wie ich das Bayern-Trikot zum ersten Mal anhatte, auf den Trainingsplatz lief, nach unten schaute und irgendwie über mich selbst lachte. Ich dachte: 'Wie ist das passiert?' Damals war ich noch unreif. Ich dachte nur: 'Das wird ewig so weitergehen'", sagte er 2018 der Daily Mail.
Als sich die Rückschläge häuften und die Eingewöhnungsprobleme immer größer wurden, entschied sich Bayern, den Totalverlust der Investition zu verhindern: Nur 18 Monate nachdem Jennings einen Dreijahresvertrag unterschrieben hatte, wurde er im Juni 2013 für 300.000 Euro an Barnsley verkauft.
Dort absolvierte er in zwei Spielzeiten 50 Spiele, bevor Verletzungen erneut ihren Tribut forderten. Er wurde entlassen, spielte eine kurze Zeit bei MK Dons und war nach seiner Entlassung mehr als zwei Jahre ohne Verein, bevor er in den Amateurbereich ging.
GettyMit 29 Jahren spielt Jennings jetzt für Prescot Cables in seiner Heimat im Nordwesten Englands. Nun wäre es einfach, ihn als Flop abzuschreiben. Aber so einfach ist die Geschichte nicht, denn es steckt bei Dale Jennings mehr dahinter.
Tochter Mila erkrankt schwer
Die zweijährige Auszeit vom Fußball nahm er sich, als seine Tochter Mila an Leukämie erkrankt war. Ein paar Jahre später wurde bei ihr eine weitere Form von Krebs diagnostiziert.
Bei The Athletic schilderte er diese tragische Geschichte:
"Damals wurde der Fußball für mich irrelevant. Wir haben schreckliche zwei Jahre durchgemacht. Mila kämpfte gegen die Leukämie an und bekam schließlich die Entwarnung. Zwei Monate später wurde bei ihr ein Wilms-Tumor in der Niere diagnostiziert. Das hatte nichts mit Leukämie zu tun - es war eine ganz andere Art von Krebs. Im Alter von sechs Jahren war sie bereits zweimal an Krebs erkrankt. Sie wurde mit Chemotherapie und Bestrahlung behandelt, der Tumor entfernt. Es ist unglaublich, was sie als kleines Kind schon alles durchgemacht hat. Ich schäme mich dafür, dass ich mich selbst schlecht gefühlt habe, als mein Knie kaputt war. Ich werde oft in Geschichten oder Tweets über Talente erwähnt, die ihren großen Durchbruch nicht geschafft haben, oder über die gescheiterten Wunderkinder des Fußballs. Das hat mich immer sehr wütend gemacht. Aber die Leute kennen diese Geschichte nicht. Ich hatte eine ordentliche Karriere - ich weiß, dass sie bisher besser hätte verlaufen können, aber dafür gibt es Gründe."
Wenn man diese Hintergründe kennt, dann ist es völlig nebensächlich, dass sich Dale Jennings damals beim FC Bayern München und überhaupt im Profifußball nicht hat durchsetzen können.