HINTERGRUND
Sie waren voll, die Sportzeitungen dieser Welt. Überall wurde die Bundesliga thematisiert - und überall das Revierderby. Neben Erling Haaland war Julian Brandt der Name, der nach dem 4:0 gegen die machtlose Mannschaft in Königsblau am häufigsten fiel.
Als Zehner vor Thomas Delaney und Mahmoud Dahoud im BVB-Mittelfeld ging nahezu jeder gefährliche Angriff von dem 24-Jährigen aus. Zwei der vier Tore bereitete er direkt vor, besonders ansehnlich war aber seine Hackenvorlage auf Thorgan Hazard, die zum 1:0 durch Haaland führte. Die Geisterkulisse nahm Brandt (Note 1) nicht die Freude am Fußball.
Für Dirk Kunert, seinen ehemaligen Jugendtrainer, kein Wunder. "Jule ist ein Typ, der sich nicht darum schert, ob er vor zehn oder vor 100.000 Zuschauern spielt. Für ihn ist der Fußball immer gleich, er hat einfach nur Bock zu kicken und zu zeigen, was er drauf hat", sagt Kunert im Gespräch mit Goal und SPOX.
BVB-Profi Brandt schon in Wolfsburg "eine Rakete"
Der 52-Jährige, heute beim Berliner AK 07 in der Regionalliga Nordost tätig, arbeitete von 2012 bis 2014 mit Brandt in der U19 des VfL Wolfsburg zusammen. 2013 wurden er mit seinem Team Deutscher A-Jugend-Meister.
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"Ich weiß noch, als ich damals anfing und mit Fabian Wohlgemuth, dem damaligen Nachwuchsleiter des VfL, über die Mannschaft sprach. Ich kannte keinen, weil ich zuvor ein paar Jahre nur im Profibereich trainiert hatte. Fabian sagte dann zu mir: 'Der Blonde hier, das ist unser Bester.' Und ich so: 'Ein U17-Spieler soll unser bester Mann sein?' Diese Frage beantwortete ich mir nach ein paar Trainingseinheiten selbst. Jule war schon damals eine Rakete. Extrem clever, ausgestattet mit einem unglaublich guten Verständnis für Raum und Zeit und der Gabe, seine Mitspieler ideal einzusetzen. Dem Rest weit überlegen", berichtet Kunert.
Wechsel zum BVB "zunächst eine Umstellung" für Julian Brandt
Bei Brandt und auch bei Maximilian Arnold sei "sofort erkennbar" gewesen, dass sie schnell ins Profigeschäft kommen würden. Brandt wählte im Gegensatz zu Arnold den Schritt weg aus Wolfsburg und zog 2014 weiter nach Leverkusen, wo er bis zum vergangenen Sommer für Furore sorgte. Danach wechselte er für eine Ablösesumme von rund 25 Millionen Euro nach Dortmund - und blühte dort nach anfänglichen Anpassungsschwierigkeiten im Team von Lucien Favre schon vor der zweimonatigen Corona-Zwangspause auf.
Imago Images"Ich habe neulich erst mit seinem Vater gesprochen", sagt Kunert. "Für Jule war der Wechsel zum BVB zunächst eine Umstellung. In Dortmund muss er sich noch einmal mehr strecken als in Leverkusen, das Trainingsniveau ist höher. Deshalb glaube ich, dass dieser Schritt genau richtig für ihn war. Man wächst schließlich mit seinen Aufgaben. Und Jule macht es wirklich top."
BVB: Julian Brandt im Zentrum "am besten" aufgehoben
Brandt (17 Torbeteiligungen in 34 Einsätzen) kommt laut seinem Ex-Coach aktuell zugute, dass Favre ihn in seinem 3-4-3-System im zentralen Mittelfeld einsetzt. Mal als Achter, mal als Zehner. "Bei uns spielte er damals überwiegend auf den Außenpositionen, weil sein erster Kontakt herausragend war und er so immer schnell an seinen Gegenspielern vorbei und zum Torabschluss kam", erinnert sich Kunert. "Aber eigentlich, das haben die vergangenen Jahre gezeigt, ist er als Außenspieler fast schon ein wenig verschenkt. Er liebt die doppelten Doppelpässe, die Chipbälle oder auch solche Hackenpässe wie am vergangenen Wochenende gegen Schalke. Im Zentrum kann er diese Stärken am besten ausspielen."
Der frühere U20-Nationaltrainer, der neben seiner Zeit bei den Wolfsburger Junioren auch bei Hertha BSC, dem Hamburger SV, Mainz 05 und Bayer Leverkusen angestellt war, sieht beim BVB zudem einen "viel fleißigeren" Brandt als früher - sowohl im Spiel mit als auch im Spiel ohne Ball. "Ich will damit nicht sagen, dass er faul war. Das war er nie. Aber manchmal, wenn es nicht so gut lief, musste man ihn ein bisschen kitzeln, ihn rufen und fragen: 'Jule, was ist denn los?' Dann schnappte er sich den Ball und zeigte sein Können. Er ist ein spezieller Typ. Keiner, der sich vor Verantwortung scheut oder den Kopf hängen lasst, aber eben einer, der auch gerne sein eigenes Ding macht. Ein bisschen frech ist. Das ist auch gut so, gerade bei Offensivspielern."
Jugendtrainer Kunert: Julian Brandt hat das Potenzial für Real oder Barca
Dennoch glaubt Kunert, dass Brandt noch weiter an sich arbeiten kann. "Ich habe nicht immer das Gefühl, dass er wirklich bei 100 Prozent ist und alles zeigt, was in ihm steckt. Er kann noch viel mehr, da bin ich mir sicher", sagt der gebürtige Berliner.
Imago Images"Klar, er spielt bei einem der besten Vereine in Deutschland und für die Nationalmannschaft. Aber schon früher habe ich mir ab und zu gedacht: 'Mensch, für Jule wäre die Kategorie Real Madrid oder FC Barcelona problemlos drin, wenn er auf 100 Prozent kommen würde!' Aber er ist noch jung und hat Zeit, an sich zu arbeiten. Wenn er weiter so fleißig arbeitet wie aktuell, sehe ich bei ihm kein Limit."