HINTERGRUND
Natürlich haben die europäischen Top-Klubs Karim Adeyemi nicht erst seit ein paar Monaten "auf dem Zettel". Adeyemi spielt ja nun schon seit ein paar Jahren in Österreich und Liefering, Salzburg: Da kann man auf der Suche nach jungen, hochtalentierten und doch auch noch entwicklungsfähigen Spielern schon mal genauer hinschauen.
Es ist also davon auszugehen, dass sie in München, Dortmund, Leipzig, Barcelona, irgendwo in England oder einer anderen großen Liga in Europa nicht erst kürzlich aufgewacht sind - sondern ein 19-jähriges Talent wie Adeyemi schon ein bisschen länger und ein bisschen genauer verfolgen.
Aber was ist eigentlich dem Spieler wichtig? Welche Rahmenbedingungen abseits des Platzes sind elementar und wie könnte er zu den verschiedenen Klubs, ihren aktuellen Trainer und deren Idee vom Fußball passen? Eine Einordnung.
Karim Adeyemi und RB Leipzig
Der Red-Bull-Kosmos muss immer als eine mögliche Option betrachtet werden bei Spielern aus dem eigenen Haus. Und Adeyemi ist durch seine fußballerische Sozialisation erst in Liefering in der zweiten österreichischen Liga und nun in Salzburg komplett auf Red-Bull-Fußball gepolt. Die Entscheidungswege zwischen Salzburg und Leipzig sind trotz aller Beteuerungen immer noch sehr kurz und ausgesprochen innig und Adeyemis Ex-Trainer und Förderer Jesse Marsch trainiert wie zufällig ja mittlerweile auch in Leipzig.
Der große Vorteil läge in dieser Art Franchise-System, das Red-Bull-Klubs auf der ganzen Welt eint: Eine gemeinsame Spielauffassung und -philosophie, der totale Fokus auf junge, athletisch herausragende Spieler, die schnell kompatibel sind mit dem, was inhaltlich verlangt wird. Ein Salzburg in groß, könnte man sagen. Die Liste der Spieler, die bereits den Weg von Österreich nach Deutschland gegangen sind, ist mittlerweile ja lang genug.
Getty ImagesMarc Unterberger hat Adeyemi in Unterhaching mehrere Jahre trainiert und ist auch heute noch neben Haching-Präsident Manni Schwabl einer der engsten Vertrauten und sportlichen Ratgeber des Nationalspielers. "Aus meiner Sicht wären nicht Dinge wie die zu erwartende Grundordnung oder das Spielsystem eines möglichen neuen Trainers entscheidend - sondern die DNA des Klubs", sagt der 32-Jährige im Gespräch mit Goal und SPOX. "Ich bin der Meinung, dass Karim sehr gut zu Mannschaften passt, die sich sehr in Umschaltmomenten verstehen. Für dieses Spiel ist er wirklich prädestiniert."
Karim Adeyemi und der FC Bayern München
Die Nähe zur Familie, das gewohnte Umfeld, die Aussicht auf jede Menge Titel, die größte aller Herausforderungen: Der FC Bayern ist per se für Adeyemi von größtem Interesse. Mit einer Rückkehr nach München würde sich ein Kreis schließen. Und Platz für noch einen deutschen Spieler mit herausragenden Fähigkeiten, dem Potenzial eines Publikumslieblings und entsprechenden Möglichkeiten der Vermarktung würden die Bayern wohl gerne schaffen. Allerdings gibt es auch aus sportlicher Sicht ein paar Fragezeichen: Wäre der Spieler wirklich schon fertig genug für einen der größten Klubs der Welt mit seinem enormen Konkurrenzkampf? Käme ein Wechsel nach München nicht ein paar Jahre zu früh? Und wie könnte Adeyemi taktisch ins Münchener Schema passen?
Das Salzburger 4-Raute-2 scheint wie gemalt für Adeyemi, die Bayern spielen in der Regel aber mit zwar zwei zentralen Mittelfeldspielern, aber nur einer "echten" Sturmspitze. Zwar zieht Julian Nagelsmann Spieler wie Leroy Sane mittlerweile vom Flügel eher in die Halbspur und an die Seite von Thomas Müller, um von dort aus in die Spitze nachzurücken und als zweite Welle den Strafraum zu besetzen. Aber auf dem Papier haben die Bayern von ihren drei offensiven Mittelfeldpositionen zwei eher auf dem Flügel besetzt - und im Zentrum ist Müller gesetzt.
"Karim hat einen stark ausgeprägten Tordrang und ein unglaubliches Näschen vor dem Tor", sagt Unterberger. "Deshalb würde ich ihn immer eher zentral bringen. Dabei kommt es dann natürlich auch immer auf seinen Partner im Angriff an. In Salzburg hat er mit Benjamin Sesko einen großen, eher wuchtigen Nebenspieler. Für den kann er Räume schaffen oder auf einen verlängerten Ball in die Tiefe starten." In Münchens aktueller Ausrichtung kämen diese Stärken aber nur wenig zum Tragen.
Mentor Manni Schwabl hat neulich bei BildTV auch leise Zweifel angemeldet, als es um einen Besuch der Adeyemi-Seite inklusive Berater Thomas Solomon an der Säbener Straße ging. "Ich war über den Besuch informiert und natürlich war ein möglicher Wechsel ein Thema. Ob es ein richtiger Schritt für die Bayern oder auch für Karim ist, weiß ich nicht. Es ist oft gefährlich, den dritten vor dem zweiten Schritt zu machen, weil die Fallhöhe zu groß ist."
Karim Adeyemi und Borussia Dortmund
Bei den Bayern läge die Rückkehr nach Hause für Adeyemi auf der Hand - ein Ausschlusskriterium ist der neue Lebensmittelpunkt aber nicht mehr. "Die Nähe zur Familie war beim Wechsel nach Salzburg ein absolut entscheidendes Kriterium. Karim war damals 16 Jahre jung, er wollte in der Nähe seiner Familie und seiner Freunde bleiben", sagt Unterberger. "Nun sind aber drei Jahre vergangen, in denen er sich enorm weiterentwickelt hat. Er ist bereit für den nächsten Schritt und ist da im Wesentlichen ortsunabhängig."
In Dortmund variiert Trainer Marco Rose ziemlich oft, lässt seine Mannschaft in verschiedenen Formationen und Anordnungen auflaufen und will sich auch in der nominellen Besetzung im Angriff nicht festlegen. Mal spielt der BVB im 4-3-3 mit nur einer, dann im 4-Raute-2 oder 4-3-1-2 wieder mit zwei klaren Angreifern. Und dann in einer ähnlichen Aufteilung, wie sie Salzburg pflegt: Mit einem Keilstürmer Erling Haaland und dem wuseligen, wendigen Donyell Malen um Haaland herum.
Nochmal Schwabl: "Karim würde mit seiner Spielweise auch super nach Dortmund passen, zu Leipzig aufgrund des Konzerns. In dem Alter darf es nicht ums Geld gehen, die sportliche Perspektive ist wichtiger. Er könnte sich mit seinem Tempo überall durchsetzen. Aber er muss regelmäßig zum Einsatz kommen." Und das wäre in Dortmund auf sehr hohem Niveau auf alle Fälle gegeben. Das hat die Vergangenheit gezeigt.
Und vielleicht käme in Dortmund noch ein Punkt zum Tragen, der notorisch unterschätzt wird: Adeyemi ist ein Fan-Spieler. Einer, der mit den Zuschauern interagiert - während und nach dem Spiel. Der ein Stadion mit ein, zwei Aktionen mitreißen kann und wiederum angestachelt wird von einer dichten Atmosphäre. Und der dann auch wieder etwas zurück gibt: Auf oder neben dem Platz. In Salzburg ist Karim der Liebling der Fans, besonders der Kinder und Teenager. Weil er sich immer und überall Zeit nimmt, auch mal 45 Minuten nach einem Spiel noch im Stadion Fotos macht oder Autogramme schreibt. Für einen 19-Jährigen ist das doch recht außergewöhnlich.
Karim Adeyemi und der FC Liverpool
Eine neue Liga, ein neues Land, eine neue Kultur, eine neue Sprache? Auf den ersten Blick mag der FC Liverpool (noch) eine Nummer zu groß erscheinen für Adeyemi. Auf der anderen Seite gibt es aber auch valide Gründe, die einen Wechsel in die Premier League gar nicht so unwahrscheinlich machen. Kommunikationsprobleme dürfte Adeyemi zumindest eher nicht haben.
"Die einzig wichtige Sprache ist der Fußball. Und damit kennt Karim sich aus", sagt Unterberger und schiebt eine wichtige Information nach: "Natürlich ist es immer schöner und vielleicht auch einfacher, sich mit seinem Trainer oder dem Staff in seiner Muttersprache zu unterhalten. Aber auch Englisch wäre für Karim überhaupt kein Problem: Sein Vater stammt aus Nigeria, die Mutter ist Rumänin, beide sprechen perfekt Englisch."
Imago Images / GEPA picturesIn Liverpool reagiert im Sturm seit mehreren Jahren der Dreizack Mo Salah, Roberto Firmino und Sadio Mane - übrigens auch ein ehemaliger Salzburg-Spieler. Jürgen Klopp zieht sein 4-3-3 in der Regel voll durch, wechselt an neuralgischen Punkten eher ungern sein Personal. Wie lange Salah, Firmino und Mane aber noch zusammenspielen können oder wollen, ist noch nicht so recht entschieden. Jedenfalls steht der Vertragspoker mit Toptorjäger Salah ins Haus, der sich auch noch ein paar Wochen oder Monate ziehen könnte.
Mit seiner sehr direkten, sehr physischen, sehr schnellen Art und dem ersten Kontakt, der immer nach vorne ausgerichtet ist, dürfte Adeyemi sehr gut in den englischen Spitzenfußball und nach Liverpool passen. Aber schon jetzt? "Auf Sicht ist Karim absolut prädestiniert für die Premier League", sagt Schwabl. "Ob die Zeit jetzt schon reif ist, weiß ich nicht. Deswegen wird es von meinem Gefühl her ein Top-Verein in Deutschland werden. Eine kleine Tendenz in diese Richtung ist absehbar."
Was sich wiederum mit Informationen von Goal und SPOX deckt: Karim Adeyemi würde bei seinem nächsten Karriereschritt am liebsten in die Bundesliga wechseln.