HINTERGRUND
Es läuft die fünfte Minute im Molineux Stadium zu Wolverhampton. Früher Samstagabend, das Wetter: nasskalt. Ruben Neves legt sich gerade den Ball zurecht. Was der Portugiese dann macht, passt so gar nicht zum schlichten Fußball, den die zweite englische Liga für gewöhnlich zu bieten hat.
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Denn ein paar Wimpernschläge später schlägt der Ball zentimetergenau im rechten Kreuzeck ein, prallt vom Pfosten satt hinter die Linie. 1:0 für die Wolves, am Ende des Tages sollte vergangenes Wochenende ein 3:0-Sieg über Sheffield United stehen. Und damit der nächste Schritt hin zur Rückkehr in die Premier League.
Neves ist ein zentraler Baustein dieses Weges, der momentan so geradlinig nach oben führt. Nicht nur, weil er im Mittelfeld des souveränen Tabellenführers der Championship praktisch unersetzlich ist, in 29 Spielen immerhin auch schon vier Tore beigesteuert hat. Sondern auch, weil er gewissermaßen der Vorreiter des Konzepts ist, das hinter dem derzeitigen Erfolg Wolverhamptons steckt. Ein Konzept, wenn man es denn so nennen mag, das ganz eng mit dem Namen Jorge Mendes verknüpft ist. Ja, dem Jorge Mendes, dem mächtigen portugiesischen Berater, zu dessen Klienten unter anderem Real Madrids Superstar Cristiano Ronaldo zählt.
Rückblende. Sommer 2013. Die Wolverhampton Wanderers, in den 1950er Jahren mal ein Top-Team auf der Insel und in jenem Jahrzehnt dreimal englischer Meister, sind am Tiefpunkt angekommen. Abstieg aus der zweiten in die dritte Liga. Die Premier League, das gelobte Land, das gerade wieder so nah ist, liegt seinerzeit meilenweit, ja plötzlich schier unerreichbar weit entfernt.
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Mendes Geschäftspartner von Wolves-Besitzern
Doch der Klub berappelt sich, schafft den direkten Wiederaufstieg, etabliert sich immerhin wieder in Liga zwei. Ehe im Sommer 2016 mit der Übernahme durch das chinesische Konglomerat Fosun International Limited ein neues Kapitel beginnt, das das ganz große Geld bringt. Gaben die Wolves im Sommer 2015 noch neun Millionen Euro für neue Spieler aus, waren es ein Jahr später gut 36 Millionen.
Dass CR7-Agent Mendes, der laut englischen Medien nicht nur Freund, sondern Geschäftspartner der chinesischen Wolves-Besitzer ist, seither seine Finger im Spiel hat, wurde ob der eingekauften Spieler immer ersichtlicher. Im August 2016 kam Ivan Cavaleiro, vertreten durch Mendes' Beraterfirma GestiFute, für acht Millionen Euro aus Monaco. Ein halbes Jahr später heuerte Helder Costa, ebenfalls bei GestiFute, für 15 Millionen Euro bei den Wolves an.
Auch die Verpflichtungen von Innenverteidiger Willy Boly und Offensivtalent Diogo Jota sind auf Mendes zurückzuführen, der Wechsel von Ruben Neves aus Porto ohnehin. Der 20-Jährige, der schon mit 18 für Portugals A-Nationalelf debütiert hatte und von so ziemlich jedem europäischen Spitzenklub umworben war, wurde vergangenen Sommer für die Wolves-Rekordsumme von knapp 18 Millionen Euro nach Wolverhampton transferiert. Es war einer der seltsamsten Wechsel der letzten Jahre - bei welcher Berateragentur Neves Klient ist, dürfte klar sein.
Wolverhamptons Bosse um Geschäftsführer Laurie Dalrymple betonen zwar vehement, dass Mendes nur Ratschläge gebe und nicht für Transferaktivitäten in letzter Instanz verantwortlich zeichne. Dass das Märchen vom nahenden Aufstieg aber auf einer Zweckgemeinschaft zwischen dem mächtigen portugiesischen Berater und den Wanderers fußt, scheint glasklar.
Wolverhampton: Mendes stellt wohl auch den Trainer
Mendes, der seinen chinesischen Freunden die Wolves als Kaufobjekt empfohlen haben soll, konnte seine Klienten bei einem ambitionierten Klub unterbringen, der nach der TV-Gelderexplosion auf der Insel über reichlich finanzielle Mittel verfügt. Und daher hohe Ablösesummen zahlen konnte, an denen Mendes natürlich auch selbst kräftig mitverdient.
Zudem stellen sich Neves und Co. ins Schaufenster für die ganz großen Fleischtöpfe in der Premier League. Und die Wolves, derzeit mit sieben portugiesischen Spielern im Kader, bekommen im Gegenzug Profis, die den Klub selbst nun offenbar zurück auf die Bühne bringen, wo er hin soll. Bei elf Punkten Vorsprung auf den Tabellenzweiten Derby County scheint der Aufstieg jedenfalls so gut wie sicher.
Und auch der sportliche Vater dieses Erfolges, wenn man Trainer Nuno Espirito Santo denn so nennen mag, kam unter dem Einfluss von Mendes nach Wolverhampton. Denn der frühere Torwart Nuno war vor gut 20 Jahren der allererste lukrative Transfer, den Mendes einfädelte, für 2,5 Millionen Euro wechselte er 1996 von Vitoria Guimaraes nach Spanien zu Deportivo La Coruna.
Auch als Trainer wird Nuno seit jeher von Mendes beraten. Und an all seine Stationen als Chefcoach, ob bei Rio Ave, Valencia, Porto oder nun Wolverhampton, kam er über Beziehungen seines seit Jahr und Tag vertrauten Beraters. "Ich bin Klient des besten Beraters der Welt. Ich mache meinen Job, er macht seinen", antworte Nuno bei Amtsantritt bei den Wolves letzten Sommer vielsagend auf die Frage nach Mendes' Einfluss auf seine Entscheidung pro Wolverhampton.
Wie ein Märchen klingt der Aufschwung der Wolves, der vermutlich in der Rückkehr ins englische Oberhaus münden wird, bei genauerer Betrachtung nicht mehr. Zumal die Fans, die endlich wieder in Strömen ins Molineux Stadium kommen, um Traumtore wie das von Neves gegen Sheffield zu bestaunen, von ihrer nach Mendes'schem Gutdünken zusammengestellten Truppe wohl kaum übermäßige Loyalität erwarten dürfen.
Sie würde es sicher nicht freuen, wenn Spieler wie Neves, Cavaleiro oder Helder Costa kommenden Sommer für viel Geld schon wieder zu einem anderen Verein wechseln. Jorge Mendes, den Mann, der vielleicht alles erst möglich macht, dagegen sehr wohl.